Wieso hast du dich damals entschieden in die Food-Branche zu wechseln?
Ich habe in Bonn studiert und mich in Unfallchirurgie/Orthopädie weitergebildet. In Berlin arbeitete ich im Unfallkrankenhaus und in verschiedenen anderen Krankenhäusern. Mit der Zeit hat sich dann das Gefühl entwickelt, dass das Gesundheitssystem nicht der Ort ist, an dem ich den Rest meiner Energie und Lebenszeit investieren will. Daher war ich auf der Suche nach etwas Neuem.
Zuerst wollte ich Spirulina in Großverpackungen verkaufen. Zu dem Zeitpunkt war die Start-up-Szene in Berlin im Aufschwung, aber noch nicht so ausgeprägt wie heute. Aus eigenem Leid heraus habe ich meine Ernährung umgestellt vom Vegetarier zum Veganer; und ich war immer schon großer Käse Liebhaber. Da fehlte mir einfach etwas. Es gab damals keine Käse Alternativen – außer Analog-Verschnitte.
Auf der Suche wie ich das besser machen kann, war ich dann selbst erfolgreich. Der Familie und Freunden hat es gut geschmeckt; daher habe ich überlegt, wie ich daraus ein Business-Model stricken kann.
Heute – viele Jahre später – steht ihr mit eurer eigenen Produktion und vielen Vertriebspartnern gut dar. Möchtest du uns ein paar Erfahrungen teilen, welche Meilensteine und Herausforderungen deine Reise besonders geprägt haben?
Als ich mit Käse-Alternativen anfing, war ich noch als Arzt angestellt. Ich konnte nicht von heute auf morgen auf das Einkommen verzichten; ich hatte eine Familie mit zwei Kindern. Außerdem musste sich das Geschäftsmodell erstmal beweisen. Für mich bedeutete das, dass ich in meiner Freizeit und am Wochenende in der Küche stand und vegane Käsealternativen produzierte.
Mit Rezepten aus dem Internet testete ich was verschiedene Käse. Ein spannender Meilenstein war für mich die Gewerbeanmeldung, denn sowas lernte ich nicht im Studium oder in der Ausbildung. Der nächste Schritt war die Frage: Wie stille ich den Kapitalbedarf für Lebensmittel und Verpackungen?
In Deutschland ist es relativ leicht Lebensmittel herzustellen, wenn man die Hygiene-Richtlinien einhält und das Veterinäramt mit ins Boot nimmt. Ich bin mit meiner Familie nach Cuxhaven gezogen, weil ich hier einen Job im See Hospital als Assistenzarzt bekommen habe; als Kite-Surfer war das für mich natürlich der optimale Spot, um sich niederzulassen. Berlin wurde uns zu groß, zu wild und hier in der Natur haben wir uns viel wohler gefühlt.

Auch für mein Start-up war das ein Glück, denn wir hier erhielten hier mehr Aufmerksamkeit; Als Colibri in Cuxhaven sozusagen. In Berlin hätten wir in Konkurrenz mit unzähligen anderen Start-ups gestanden. Dann kam der Punkt, an dem ich mich entscheiden musste: Arbeite ich weiter als Arzt oder in Vollzeit an meinem veganen Start-up.
Bis zu dem Zeitpunkt produzierte ich noch alles zu Hause und meine Frau hat mich dann auf eine geschlossene Bäckerei hingewiesen. Dort machte ich schnell einen Termin aus, redete mit den Besitzern und mietete anschließend die Bäckerei an. Meinen Job kündigte ich daraufhin.
Damals haben sich die Investoren noch nicht um solche Start-up geprügelt.
Dr. Mudar Mannah von Happy Cheeze
Die Backstube haben wir renoviert und vom Veterinäramt abnehmen lassen. Mit einem kleinen Startkapital von 10.000€ konnten wir das realisieren. Das Geld kam von einem Freund.
Du hast schon immer selbst produziert – Stand die Frage für einen Lohnhersteller mal im Raum?
Nach etlichen Anfragen bei Tofu- und Käse-Herstellern, wollte mir niemand helfen. Damals wurde mein Vorhaben nicht ernst genommen. Das änderte sich irgendwann, aber damals war ich halt mehr oder weniger gezwungen das selbst zu machen. Das war auch erstmal in Ordnung. Dadurch konnte ich Erfahrungen sammeln. Mittlerweile blicke ich auf 10 Jahre Erfahrung im Bereich der veganen Käse-Herstellung zurück – dadurch können wir uns als Pioniere bezeichnen.
Zu Beginn lief es noch nicht so optimal. Damals veranstaltete ich tagsüber roh-veganen Brunch zum Geld verdienen – und abends habe ich den Käse produziert. Ende 2014 kam der NDR für einen kleinen Fernsehbericht. Am nächsten Tag war mein Postfach mit 2000 Bestellungen voll und ich wusste nicht mehr, wie ich diese abarbeiten soll. Daraufhin stellte ich 450€ Produktionshelfer ein, da es allein nicht mehr zu stemmen war. Die 40 Quadratmeter wurden viel zu klein, sodass ich 2015 nach potenziellen Investoren gesucht habe für eine größere Immobilie. Gleichzeitig stellte ich zwei Festangestellt Mitarbeiter ein, die nach der Einarbeitung dann den Laden geschmissen haben. Ab dem Zeitpunkt konnte ich mich um die größere Vision kümmern.
Kannst du für die Zuhörer/Innen den Begriff Analog-Käse von deinen Produkten abgrenzen?
Es gab er vor den vor ein paar Jahren den Skandal mit Analogkäse. In Imbissbuden oder in der Pizza-Industrie wurde damals kein „richtiger“ Käse genutzt. Der Unterschied zu „richtigem Käse ist: In Käse ist Kuhmilch. Wenn ich von Analogkäse spreche, dann meine ich Produkte die aus Stärken, Fetten und vielleicht wenn man Glück hat, etwas Protein und zusätzlich mit Aroma und Bindemitteln zusammengesetzt werden. Daraus wird eine Emulsion gebildet, die dann erkaltet.
Die Masse riecht und schmeckt entfernt nach Käse – hauptsächlich nach dem zugesetzten Aroma. Hat aber ansonsten nicht viel mit Käse zu tun. Dort wird keine Reifung also keine traditionelle Technik eingesetzt. Was wir tun ist grundlegend anders: Wir benutzen die Kraft der Bakterien zur Fermentation. Den Bakterien ist es egal, ob sie tierische oder pflanzliche Milch verstoffwechseln. Die brauchen Kohlenhydrate, Fette und Proteine.
Wenn der Zucker verstoffwechselt, ist dann fangen sie an die Fette und Proteine zu verdauen. Dadurch werden Aromen gebildet; was nur durch eine lange Reifezeit erzielt wird. Das lässt sich nicht abkürzen, außer man setzt künstliche Aromen zu. Diese Fermentations-Technik habe ich einfach aus der traditionellen Käse-Herstellung übernommen. Im Gegensatz zu Analog-Käse haben wir eine gänzlich neue Produkt-Kategorie geschaffen. Für Hardcore-Käse-Liebhaber ist unsere Alternative etwas gewöhnungsbedürftig, aber wir kommen dem traditionellen Produkt schon sehr nahe.
Dieses Jahr haben wir Hybride entwickelt. Diese verbinden das beste aus beiden Welten. Wir haben fermentierte Anteile genommen, in diesem Fall Blumenkohl und diese mit Rohstoffen angereichert die Proteine, Stärke und Fett mitbringen. Daraus entstand unsere neuste Käse-Alternative.
Bis 2030 wollt ihr Marktführer für vegane Käseprodukte sein; ein ehrgeiziges Ziel. Wie wollt ihr das erreichen?
Wir möchten Marktführer für traditionell hergestellte Käsealternativen werden, das ist nochmal eine Abgrenzung. Wir wollen das Erreichen, indem wir wachsen. Der Markt gibt uns Recht. Im Vergleich zu 2017/18 haben wir unsere Produktion vervierfacht; eigentlich verdoppeln wir jedes.
Vorher musste man kämpfen jetzt muss man verhandeln.
Dr. Mudar Mannah von Happy Cheeze
Aktuell verlassen pro Woche circa 30 – 40.000 Stück unsere Produktion. Wir haben angefangen den LEH zu beliefern. Vorher waren wir „Fachhandelstreu“. Ohne den LEH ist es aber schwierig zu wachsen. Der Lebensmittel-Einzelhandel hat sich in den letzten Jahren sehr geöffnet für Startups, aber auch für Gesunde Leckere Lebensmittel, die anders sind.
Wir haben hier in Cuxhaven eine alte Fischdosen Fabrik angemietet umgebaut und seit Anfang 2017 produzieren wir. Die Umbaumaßnahmen haben ungefähr ein Jahr gedauert. Durch die Fabrik konnten wir von 5000 Stück pro Monat auf über Hunderttausend Stück pro Monat wachsen.
Die letzten Jahre sind wir weiter auf 1700 Quadratmeter gewachsen und haben dadurch unsere Logistik und Produktion erweitert – aber aktuell wird es wieder zu eng. Deshalb schauen wir nach einer neuen Produktionsstätte. Der nächste Schritt wäre eine eigene Produktion zu bauen – wie wir sie uns am Reißbrett wünschen, um dem Wachstum standhalten zu können.
Da wir gerade erst Bundestagswahl hatten: Wo würdest du dir mir Unterstützung von der Politik wünschen?
Ich wünsche mir mehr Transparenz und Klarheit bei den Fördermitteln.
Was ist deine größte Herausforderung aktuell?
Das Wachstum und Verantwortung abzugeben. Ich war schon immer eine One-Man-Show. Aber ich hab mittlerweile auch viele Hilfe. Mit vierzig Mitarbeitern kann ich nicht mehr alles selbst machen und muss lernen durch Vertrauen Aufgaben abzugeben.
Was ist das Schönste für dich an deiner Arbeit?
Auf der einen Seite den glücklich aussehenden Mitarbeiter/Innen und auf der anderen die zufriedenen Kunden. Unser Name „Happy Cheeze“ kommt eigentlich nicht von Cheese wie Käse sondern vom Cheese vor der Kamera.
Deine Empfehlung für Gründer/innen im Bereich Food
Jeder kann Unternehmer sein. Es braucht Mut und Durchhaltevermögen. Du musst Fehler umarmen, denn sie sind das beste was einem passieren kann. Nur damit könnt ihr besser werden.
Welches Buch würdest Du deinem früheren Ich, sagen wir mal mit 18, empfehlen und warum?
Sokrates auf dem Rennrad von Guillaume Martin. Das Rennrad fahren vereinigt vieles was auch Unternehmer brauchen, um voranzukommen. Wenn ein Rennradfahrer auf den Berg hoch will braucht er viel Durchhaltevermögen und Kraft. Außerdem hat er viel Zeit auf dem Rad nachzudenken. Das wird in dem Buch sehr schön zusammengebracht.
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