Sie besuchte eine Freundin in Frankfurt. Selbst wohnt sie in einer Kleinstadt auf dem Land.
Sie planten einen ruhigen Abend zuhause – bisschen kochen, bisschen Wein.
Da der nächste Supermarkt direkt um die Ecke liegt, gingen sie dort einkaufen.
Zurück in der Wohnung stellten sie fest: „Wir haben die Chips für heute Abend vergessen“.
Das sei kein Problem, sagte sie. Ich bestelle sie und dann werden sie uns in zehn Minuten geliefert.
Das ist meine naive Vorstellung des Bedarfs von den sogenannten Schnell-Lieferdiensten. Da das Thema derzeit eins der gehyptesten im Lebensmitteluniversum ist, fühle ich mich genötigt meinen Senf auch noch dazuzugeben. Daher habe ich 7 Gründe zusammengestellt, wieso mich Gorilla, Flink und co. nicht die Bohne interessieren.
1. Schnell-Lieferdienste bedienen nur urbane Gebiete
Dort ist die Konzentration des Angebots aber bereits sehr ausgeprägt. Ein paar wenige Prozentpunkte Marktanteil sind sicher zu holen, für den kurzfristigen Bedarf. Die kritische Masse wird aber meines Erachtens ausbleiben.
2. Geldverbrennung à l’excellence trotz geringem Marktanteil
“Attention goes where the money flows” ist die Devise.
Viel Geld wird hin und her geschoben.
Delivery Hero machte im ersten Halbjahr 918 Millionen Euro Verlust. Gorillas & Co wird es ähnlich ergehen, auch wenn bisher keine Zahlen veröffentlicht werden. Das Geld wird komplett in die Markterschließung gepumpt bzw. in den Versuch Kunden vom klassischen LEH abzugraben. Die Lieferdienste sind die Spielbälle der Investoren, die an den Finanzmärkten keine Renditen erwarten können.
Von 0,618 Milliarden in 2014 auf 3,3 Milliarden in 2021 im Gesamten Lebensmittel-Lieferdienstmarkt.
Trotzdem hat der Online-Handel insgesamt nur einen Marktanteil von 2-3%.
3. Propheten und ihre Glaskugeln

“Eine Untersuchung von Ernst & Young im Jahr 2014 hat ergeben, dass der Marktanteil im Bereich Online-Lebensmittelhandel bis 2020 auf 10% steigen wird.”
“Die Gfk gibt an, der Anteil von Lebensmitteln & Drogerie werde im Online-Segment bis 2025 auf 15% steigen.”
Das sind Beispiele aus meiner Bachelorarbeit, die ich 2017 schrieb. Darin untersuchte ich den bundesweiten Bio-Lieferdienst bringmirbio. Schon damals konnten die Prophezeiungen in der Realität nicht bestätigt werden. Gerne lasse ich die Propheten und ihre Glaskugeln im Nebel stochern und widme mich der Realität.
4. Die Dominanz des stationären Handels
Es gibt ihn in jeder kleinen Stadt – ohne lange Anfahrtszeit. Fast auf jedem Heimweg von der Arbeit. Der Bedarf für Belieferungen ist dadurch ziemlich klein, was sich im Marktanteil zeigt. Das Leistungsversprechen von 10 Minuten wird außerdem nicht eingehalten.
5. Das banalste: Ich habe keinen Bedarf Lebensmittel in 10 Minuten geliefert zu bekommen
Das ist subjektiv, ohne Betrachtung der verschiedensten Zielgruppen und doch ist es Fakt.
Auch wenn ich nur eine Kleinigkeit benötige, bin ich in fünf Minuten beim nächsten Supermarkt. Ich würde mich als relativ faul bezeichnen – aber dafür reicht es noch.
6. Das ist keine Innovation!
Lebensmittel in 10 Minuten statt erst nach 24 oder 48 Stunden geliefert zu bekommen ist keine Innovation.
Ich warte auf den schwarzen Schwan im Delivery-Business. Ich habe da schon eine Idee. Die Umsetzung wird aber noch einige Jahrzehnte dauern.
7. Ernährungswandel durch Corona
Von 3,0 auf 2,8 Einkäufe pro Woche – bedingt durch Corona.
Preiswerte Lebensmittel sind weiterhin ein wichtiges Kriterium.
Lebensmittel aus Werbeangeboten werden bevorzugt gekauft.
Ernährungswandel durch Corona, Studie der HS Fulda aus dem Blogbeitrag
Schnell-Lieferdienste werden versuchen durch höhere Margen Profitabilität zu erreichen – denn Liefergebühren sind unsexy. Höhere Margen bedingen höhere Verkaufspreise oder geringere Einkaufspreise.
Geringe Einkaufspreise bedingen hohe Volumen; diese werden beim Handel bleiben. Gorillas verspricht aber: “Iss im Hier und Jetzt mit 1000en frischen Produkten von lokalen Produzenten zu Einzelhandelspreisen”
Höhere Preise könnten durch den Zusatznutzen der 10 Minuten Belieferung erzielt werden – dieser wird aber jetzt schon nicht eingehalten.
Zum Glück gibt es gute Alternativen wie Frischepost. Mit Anna von Frischepost Rhein-Main hatte ich bereits ein Interview: [KLICK]
Quellen
https://t3n.de/news/absprung-doordash-delivery-hero-startup-gorillas-1401178/
https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL2hyLW9ubGluZS8xNjYzMzc
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